In meiner Wohnung mit dem Hörer in der Hand: „Hallo, mein Name ist Iris und ich wollte mal fragen, ob man bei euch ein Praktikum machen kann.“ Am anderen Ende: „Hey Iris, na klar! Schreib uns doch einfach mal eine E-Mail und wir verabreden uns zum Mittag, um dich kennenzulernen.“ Tja, so schnell kann’s gehen! Ich bin Studentin an der Humboldt-Universität zu Berlin und schreibe aktuell meine Bachelorarbeit in Psychologie. Um mich für den richtigen Masterstudiengang zu bewerben, habe ich nach Praktika gesucht, in denen ich mir ansehen kann, wie Arbeit in Teams funktioniert und wie man diese Arbeitsweise optimieren und gestalten kann. Die New Work Academy wurde mir weiterempfohlen und so habe ich einen Blick auf die Website riskiert. Vom agilen Arbeiten hatte ich zu dem Zeitpunkt noch nie etwas gehört und genausowenig waren mir die Begriffe Scrum und Kanban bekannt. Auch eine kurze Recherche hat nicht dazu geführt, dass ich die Materie so richtig verstanden habe. Klar war jedenfalls, dass es sich um Methoden handelt, die der „normalen“ Arbeitsweise gegenüber steht. Da wurde in mir die Neugierde geweckt und zumindest von Design Thinking hatte ich im Studium schon was gehört und das war genau der Bereich, den ich mir näher anschauen wollte. Folglich schien es in diesem Unternehmen viel Lernpotenzial für mich zu geben und so griff ich zum Hörer, um mein Glück zu versuchen. Schon ein paar Tage später stand ich vor einer großen blauen Holztür bereit, die Klingel mit der Aufschrift „New Work Academy“ zu drücken.
Nach einem kurzen Weg durch den Hinterhof mit einer hübschen Gartenanlage betrete ich die Räume des Start-Ups und werde von den drei GründerInnen empfangen. Ein großer quadratischer Tisch in der Mitte des Raums dient als gemeinsamer Arbeitsplatz. Doch etwas anderes zieht meine Aufmerksamkeit auf sich: Post-Its! An jedem der drei Whiteboards befinden sich mindestens 20 Post-Ist in verschiedenen Farben und Größen. Nicht einmal die Wände und der Schrank bleiben davon verschont und auch der Tisch wird mit alten und neuen Post-Its dekoriert und mit vielen verschiedenen Stiften versorgt. Auf dem Flipchart in der Ecke sind allgegenwärtig die „Agilen Dimensionen“ gesribbelt, ein Tool welches nach intensiver Ausarbeitung endlich fertiggestellt ist. In diesem hellen Raum verbreiten die bunten Sticker eine frische und angenehme Unternehmenskultur und suggerieren ein produktives und strukturiertes Arbeitsklima.
„Wo sind denn die ganzen Mitarbeiter, die auf der Website stehen? Die passen doch gar nicht hier rein?“ „Das sind Kontakte und Partner mit denen wir in Verbindung treten, wenn es gerade passt. Hier arbeiten nur wir, die Chefs des Unternehmens.“ Ich gucke überrascht und Henriette wirft ein: „Hättest du das gewusst, hättest du dich anders angezogen!“ Im gleichen Moment fangen wir alle an zu lachen, da jeder und jede von uns gemütlich-leger zum Treffen erschien und Kleidungsstil beim Kennenlernen eine für uns völlig unbedeutende Rolle spielt. Das Eis war also gebrochen und beim Essen im chinesischen Restaurant an der Ecke hatten wir viel Zeit uns kennenzulernen.
Frederik ist ursprünglich Lehrer gewesen und hat im Laufe der Zeit gemerkt, dass tatsächlich weder die Lehrer noch die Schüler am Unterricht teilnehmen wollen. An der Uni entdeckte er dann in einer Arbeitsgruppe das agile Arbeiten. Später arbeitete Frederik zusammen mit Benjamin als Angestellter in einem Unternehmen, bis sich beide 2018 zusammenschlossen und die „New Work Academy“ entstand. Henriette ist das neueste Mitglied im Trio und durch Benjamin während einer Coachingausbildung das erste Mal mit Agile Work in Berührung gekommen. Im Sommer 2018 gab es dann den ersten großen Auftrag mit dem das Geschäft so richtig ins Rollen gekommen ist, sodass ab Januar 2019 alle drei hier Vollzeit beschäftigt sind.
Als Agile Coach predigt man die agile Arbeit – jedenfalls denke ich mir das so. Ständige Entwicklung, Veränderung, Austausch und Feedback Tag für Tag aufs Neue; das schaffen doch nicht einmal die Profis, oder? Auf diese provokante Frage antwortet Benjamin aber ganz souverän: „Ja, natürlich ist es schwer. Aber ich würde sagen, dass wir das auf jeden Fall tun. Mit dem Mindset des agilen Arbeitens denkt man immer: >Was kann ich besser machen?< und hat danach das gute Gefühl, etwas gelernt zu haben (nicht nur das Gefühl von Uneinigkeit im Team). Ja, es ist anstrengend, fühlt sich aber besser an, als den Status quo zu akzeptieren.“
Spontan bleibe ich nach dem Mittag noch eine Stunde länger und schaue mir an, wie bei der New Work Academy gearbeitet wird. Nachdem jeder am Tisch sitzt, wird der Timer auf 30 min gestellt und der nächste Workshop geplant. Eifrig werden Post-Its beschrieben, das Whiteboard gefüllt und ich selbst konnte auch schon einige Ideen einfließen lassen. Dabei habe ich mich nie hintangestellt gefühlt, sondern ganz im Gegenteil: mein Input war bei allen dreien gern gesehen und wurde sogar direkt erfragt. Mit etwas Zeitüberschreitung sind wir dann auch fertig geworden und das Whiteboard wurde mit einem Foto digitalisiert.
Dieser erste Einblick war schon total spannend und Henriette, Benjamin und Frederik sind eifrige und interessierte Arbeitskollegen. Ich habe gelernt, dass agiles Arbeiten nicht nur eine Methode ist, sondern eine Art Life- bzw. Arbeits-Style, eine Einstellung die man vertritt und die nicht „an und aus“ gestellt werden kann. So kam es also, dass ich heute selbst in diesem Büro sitze und als Praktikantin meinen ersten Blogartikel verfasse. Ich freue mich auf die Erfahrung, die ich hier sammeln kann und bin gespannt was die Zukunft bringt.
The best is yet to come![1]