Wer als Scrum Master*in oder Agiler Coach unterwegs ist, kennt diesen Satz nur zu gut. Du lernst eine neue Organisation oder ein neues Team kennen und fast immer ist der erste Satz, dass hier bereits agil gearbeitet würde. Dies ist natürlich erstmal irritierend, denn wenn dem so wäre, warum sind wir dann hier? Der Teufel steckt im Detail oder besser gesagt im Unterschied zwischen der Anwendung eines Rahmens und der Verinnerlichung einer Haltung. Es ist wichtig das zu verstehen, um auch die Antwort auf eine andere Frage zu durchschauen: Warum wird sehr viel Geld dafür ausgegeben, erfahrene Expert*innen zu beauftragen und doch nicht die erhoffte Wirkung erzielt! Lösen wir die Missverständnisse mal der Reihe nach auf.
Das erste Missverständnis liegt darin zwischen Methode und Rahmenwerk nicht zu unterscheiden oder das Konzept eines Rahmenwerks (aka Framework) mit einer Methode gleichzusetzen. Bei meiner Recherche für diesen Artikel fiel mir auf, dass die Konzepte Methode, Rahmenwerk und Vorgehensmodell entweder synonym oder wie in diesem Artikel genau entgegen meiner Wahrnehmung auf agile Frameworks angewendet werden. Da wird Rahmenwerk mit Methode am Beispiel Scrum gleichgesetzt und ein Vorgehensmodell sei etwas anderes und wird eher dem Agilen Manifest zugeordnet. An solchen kruden Konstruktionen erkennen wir schnell, wie sehr wir uns wieder selbst verwirren, wenn wir uns nicht einmal hinsetzen, um das Wortchaos zu entzerren.
Wer sich meinen Überblick mal auf der Zunge zergehen lässt, kann vermutlich bereits jetzt allein das nächste Missverständnis auflösen. Methoden an sich können durchaus agil sein; womit ich meine, dass in ihnen ein Ablauf steckt, der die Teilnehmenden dazu auffordert bestimmte Dinge transparent zu machen, sie zu inspizieren und anzupassen. Wer also ausschließlich Methoden dieser Natur verwendet, kann tatsächlich von sich behaupten, agil zu arbeiten – zumindest innerhalb dieser Methoden. Die Realität sieht leider jedoch oft so aus, dass mit Methode sowas wie Kanban oder Scrum gemeint ist und dass beim zweiten Hinsehen bereits auffällt, dass die Grundprinzipien und Spielregeln dieser Rahmenwerke gar nicht konsequent befolgt werden. Also meinen unsere Gesprächspartner*innen erstens etwas ganz anderes, wenn sie sagen, sie verwenden eine „Methode“ und der Rahmen, von dem sie eigentlich sprechen, wird dann leider auch noch unvollständig genutzt. So wird aus Zeitmangel die Retrospektive entfernt oder aufgrund von fehlender Achtsamkeit übersehen, wie wichtig das kontinuierliche Üben der zugehörigen Rahmenwerte ist.
Nein. Und das ist erstmal gar nicht schlimm, weil es uns allen damit gleich geht. Die gute Nachricht ist, dass uns das agile Arbeiten dabei hilft, selbst agil zu werden. Wenn wir uns immer wieder darin üben, Dinge transparent zu machen, auszusprechen oder zu visualisieren, dann fällt es uns nach einiger Zeit vielleicht leichter, den Mut aufzubringen, grundsätzlich etwas sichtbar zu machen oder wichtige Informationen zu teilen oder uns anderen Menschen zu öffnen. Agil zu sein bedeutet, dass wir unseren Charakter nach den agilen Säulen und auch im Sinne des agilen Manifestes leben. Das heißt wir schätzen Transparenz und sie wird zu unserer Philosophie. Menschen, denen es gelingt, agil zu sein, nutzen die Sichtbarkeit von Informationen, um anzudocken, bonding zu betreiben und sich zu vernetzen. Sie wollen gemeinsam lernen und Synergien nutzen. Sie reflektieren was sie tun und inspizieren achtsam, ob sie sich und anderen damit etwas Gutes tun. Sie passen ihre Vorgehensweise an, wenn dem nicht so ist oder das Feedback eine Veränderung des Plans nahe legt. Das agile Manifest lädt uns ein, selbst agil zu arbeiten, agil zu sein und andere dabei zu unterstützen oder die Möglichkeit zu geben, es selbst zu tun und agil zu werden. Es ist also auf der einen Seite diese kontinuierliche Achtsamkeit mit Blick auf Transparenz, Reflexion und Anpassung sowie das Bestreben, anderen die Möglichkeit zu geben, ebenfalls diesen Pfad einschlagen zu können. Das kann eine längere Begleitung erforderlich machen. Und genau diese Form der Begleitung bietet die New Work Academy ganz unterschiedlich an. In Form von Supervision, aber auch der Agile Coach Ausbildung.
Agil zu arbeiten ist eine Herausforderung. Es geht darum Transparenz in die eigene Arbeitshaltung zu integrieren und damit auch etwas zu tun, d. h. regelmäßig zu inspizieren und anzupassen. Agile Rahmenwerke helfen uns dabei, wenn wir sie nicht manipulieren. Wir arbeiten agil, wenn wir uns an die Grundprinzipien und den agilen Rahmen halten. Das Agile Manifest kann hier oft als Ergänzung zu den Rahmenwerken herangezogen werden, wenn wir uns mal bei einer Sache nicht ganz sicher sind. Es ist klar, dass auch in den agilen Rahmenwerken oft nicht alles kleinlich beschrieben ist. Gerade deshalb handelt es sich jedoch nicht um Vorgehensmodelle und nicht um Methoden!! Es soll ein agiler Rahmen geschaffen werden, in dem wir gemeinsam üben können, agiler zu werden und zwar kontinuierlich. Mit kontinuierlicher Verbesserung ist also nicht nur die Verbesserung eines Produktes oder Services gemeint, sondern auch die kontinuierliche Verbesserung von uns selbst und unserer Organisation – einschließlich dem agilen Arbeiten selbst!! Und es ist völlig klar, dass wir selbst, wenn wir das tun, noch lange nicht agil sind. Die Verinnerlichung dessen ist die größte Herausforderung. Während agil zu arbeiten schon ziemlich gut funktioniert, sofern wir z. B. die Spielregeln von Scrum vollständig (!) befolgen, merken wir natürlich an auftretenden Missverständnissen, Interessenskonflikten und zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen, dass wir nicht gleichzeitig agil sind, nur weil wir agil arbeiten. Viele Beratende auf dem Markt differenzieren hier leider nicht und verkaufen einfach nur ein Training zur Anwendung von Werkzeugen. Das hat dann keine nachhaltige Wirkung, denn sobald der Consultant wieder geht, funktionieren viele Werkzeuge möglicher Weise nicht mehr, da das notwendige Mindset nicht mitgeschult wird („Hilfe, mein Scrum ist kaputt“). Die New Work Academy arbeitet daher bereits während der Beauftragung so, dass wir versuchen uns sukzessive überflüssig zu machen.
Agil zu sein ist eine Philosophie und eine Haltung. Es ist eine Art Mindset bei dem es darum geht, sich zu dem bestmöglichen Selbst zu entwickeln, welches dann als Multiplikator*in auch andere dabei unterstützt, diesen herausfordernden Weg zu gehen. Wer agil ist, beobachtet, anstatt zu bewerten, teilt Gefühle, anstatt zu Schuld zu suchen und hat ein großes Interesse daran, bessere Wege für die Zusammenarbeit zu erschließen und dafür den eigenen Anteil an Verantwortung zu übernehmen. Du bist agil, wenn du auch in der Teeküche dich so verhältst und Ideen aussprichst und so handelst, dass die Teeküche durch deinen Besuch eine Bereicherung und vom Pausen-, zum Lernraum geworden ist. Und das kann auch bedeuten, dass du dich neben deine Mitarbeiter*in setzt und anbietest, vielleicht heute einfach mal gemeinsam zu schweigen und die Stille zu genießen.