Er wollte uns stets Geschichten von einer anderen Arbeit erzählen. Manchmal entschuldigte er sich, weil er befürchtete, dass Menschen von ihm etwas anderes erwarteten. Und er war überzeugter Praktiker, obwohl wir ihn alle als Philosophie Professor in Erinnerung behalten werden. Wir standen kurz davor, uns kennen zu lernen und ich hatte viele Fragen an ihn, teilweise eigene, teilweise von anderen Menschen, mit denen ich über New Work sprach. Gestern am 24. Mai 2021 ist Frithjof Bergmann verstorben. Ich habe nicht weiter darüber nachlesen wollen und nur eine SMS an Andy Mayer gesendet, um mein Beileid auszudrücken. Heute möchte ich noch David schreiben. Erst danach werde ich bei Linkedin nachsehen, wie das Netzwerk reagiert hat. Für mich persönlich ist es ein sehr trauriger Verlust und der Trauer möchte ich Raum geben. Gleichzeitig werden wir seine Arbeit und sein Erbe fortsetzen.
Die meisten von uns werden nie vergessen, wie er uns stets dafür sensibilisieren wollte, dass Menschen an der „Armut der Begierde“ leiden. Er beschreibt in seinem Hauptwerk „Neue Arbeit, Neue Kultur„, dass Menschen in vielen Fällen auf unserer Welt durch ihre Arbeit verkümmern. Sie lernen, teilweise bereits in der Schule, dass ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse zweitrangig sind. Nur das, was andere von einem erwarten, also die Eltern, das soziale Umfeld oder die Politik, steht im Vordergrund. Am Ende wird Arbeit zu einer Not oder Pflicht, jedoch nicht zu etwas, was die Menschen stärkt oder beflügelt. Und so verlernen die Menschen, was ihnen selbst wichtig oder was ihr Begehren wäre. Auf diese Weise entfremden sie sich von ihrer selbst und von dieser Welt. Und tatsächlich sterben einige Menschen durch ihren Job, was Frithjof als Extrembeispiel für sein Konzept „Polarität der Arbeit“ heranbringt. Das andere Extrem wird zu seiner Mission! Den Menschen einen Weg der Selbststärkung und zurück ins Lebendigsein aufzuzeigen. Dafür reist er um die ganze Welt, begleitet Jugendliche, Obdachlose und andere Randgruppen, die von der Gesellschaft bereits als verloren geglaubt wurden. Doch Frithjof Bergmann versteht das Menschsein. Tröstend formuliert er aus, dass wir alle die Gefühle von Selbstzweifel, Verletzlichkeit teilen und uns selbst die härtesten Richter*innen sind. Wir sind nicht nur Egoman*innen, sondern verstecken uns vor uns selbst, wenn uns eigene Wünsche Angst machen und wir niemanden enttäuschen wollen.
Frithi zitiert gerne Autor*innen wie Tolstoi, mit denen er uns darüber aufklären möchte, dass es in unserer eigenen Macht und Verantwortung liegt, ein ganz anderes Leben zu führen. Seine Beispiele bedienen sich starken Emotionen, weil er im Laufe der Jahrzehnte gelernt hat, dass Menschen nicht vollständig nachvollziehen oder begreifen können, worum es ihm geht. Er möchte eine nachhaltige Veränderung bewirken. Der Ausdruck des „wirklich, wirklich Wollens“ oder wie in seinen Publikationen auch als „wirklich und wahrhaftig Wollen“ beschrieben, wird zum Fokus seiner Auftritte als Speaker von Konferenzen oder als Gast in Talkshows. Es ist ein großer Trost für mich, dass Frithjof bis zum Ende seines Lebens fröhlich und humorvoll wirkte. Vielleicht war es sein Anliegen, uns an seinem größten Talent, das Leben zu leben, teilhaben zu lassen. In Biografien über ihn erfahren wir über seine Zeit als Einsiedler in der Natur, seiner Zeit als Hafenarbeiter und auch als erfolgreicher Boxer! Frithjof hatte stets einen Draht in alle Bereiche des Lebens. Es entsteht der Eindruck, dass er nichts auslassen wollte. Und wenn er mal schrie, dann um uns aufzuwecken, weil er bis zum Ende darüber besorgt war, wie wir seinen New Work Begriff verwenden und umsetzen. Er hat diesen Begriff entwickelt, um etwas vollständig Innovatives und Neues zu beschreiben. Nicht der Mensch sei das Problem der heutigen Zeit, sondern das System, was er am Leben erhält. Daher ist seine Empfehlung gewesen, dass wir das System verändern und den Kapitalismus verbessern.
Damit sich die Dinge ändern, müssen sich Menschen zusammenschließen, um andere zu unterstützen und Orientierung bezüglich New Work zu geben. Frithjof beschreibt sogenannte Zentren für Neue Arbeit als Treiber des Wandels, den er sich wünscht. Es handelt sich im Grunde um lokale Zentren, die verschiedenste Angebote und Dienstleistungen anbieten. In den Zentren gibt es die Möglichkeit eigene Produkte mit einem Fabrikator, eine Mischform aus 3D-Drucker und Fabrik-Roboter, herzustellen. Lehrpersonal im Zentrum für Neue Arbeit gibt jede*r Besucher*in das Nötige Wissen weiter, um eigenständig im Zentrum aktiv zu werden. Im Schneeballprinzip wachsen die Kompetenzen eines jeden Standorts, der beliebig erweiterbar, universell oder spezialisiert sein kann. Zentren für Neue Arbeit sind stark vernetzt. Was ein Zentrum nicht leisten kann, wird von einem anderen Zentrum übernommen. Werkstoffe und Ressourcen, egal ob materiell oder immateriell, werden ausgetauscht. Auf diese Weise entsteht ein Netzwerk von einer neuen Gesellschaft, einer neuen Kultur, wie es Frithi nannte.
Mir wird sehr oft die Frage gestellt, wie die Umsetzung von Frithjofs Konzepten funktioniert oder welche Methoden er im Zentrum für Neue Arbeit in Flint angewendet hat, wenn er Menschen auf dem Weg zum wirklich, wirklich Wollen, begleitet hat. Eine gut dokumentierte Methode, nennt sich „Dummheiten und Diamanten“. Bei dieser Übung lässt er Gruppen unterschiedlichster Größe darüber nachdenken, welche Dummheiten ihnen im Arbeitsalltag oder im Leben begegnen. Dummheiten sind alle Dingen, die keinen Wert schaffen, die ihnen Energie nehmen und die eher politischer Natur sind und mit gesundem Menschenverstand gedacht, keinen Sinn ergeben. Er lässt die Dummheiten also visualisieren. Anschließend soll die Gruppe nach Diamanten Ausschau halten. Dies sind Verhaltensweisen, Vorgänge oder Aktivitäten, bei denen sie sich lebendiger, wacher und produktiver fühlen. Nachdem sowohl alle Dummheiten und alle Diamanten anschaulich nebeneinander stehen, moderierte er eine Reflexion darüber. Ziel war natürlich, Dummheiten möglichst zu verringern und Diamanten positiv zu verstärken. In einer anderen Methode lässt er als Moderator die Zeit für seine Teilnehmenden rückwärtslaufen und geht mit ihnen auf die Erkundung nach Erinnerungen von Überraschungen und positiven Emotionen sowie Gefühlen in denen die Teilnehmenden eine unerwartete Freude erlebt haben. Meistens ging er hier mindestens bis zu einer Woche zurück. Dies sind zwei offensichtliche Beispiele, die ich von seiner direkten Arbeit gefunden habe. Überlesen wird von seinen Leser*innen und Zuhörer*innen jedoch oft etwas ganz anderes, was er immerzu gebetsmühlenartig erläutert. Es kommt darauf an, was wir tun, wenn wir anderen Menschen begegnen oder sie begleiten:
Ich danke dir lieber Frithjof, dass du uns Publikationen, Audiodateien und Videos von dir, deinen Taten und Gedanken hinterlassen hast. Du hast und wirst uns damit bewegen. Deine Neue Arbeit wird zeitlos bleiben, da ihre Konzepte mit dem Menschsein an sich zu tun haben. Du hast uns einen Schlüssel für ein Schloss geschmiedet, welches wir uns aus meiner Sicht trauen sollten, aufzuschließen. Wir könnten uns selbst und die Welt mit deinen Augen sehen, was ich als persönliche Bereicherung empfinden würde. Danke, dass du uns immerzu von deinem Standpunkt ausgehend zugerufen hast, was alles für uns Menschen möglich ist. Wir werden unser bestes geben, deine Konzepte auszutesten, anzuwenden und unseren Weg finden.
Ruhe fröhlich! 🙂