Bald startet an der New Work Academy die Ausbildung zum Agile Coach. In der Ausbildung selbst beschäftigen wir uns sowohl mit dem New Work Konzept, als auch Agility und bei der Konzeption fiel auf: Egal, ob New Work oder Agile Coach, am Ende geht es um die gleichen Prinzipien und Werte, die wir in der Deutschen Arbeitskultur stärken und fördern wollen. Ich skizziere in diesem Blogartikel beide Ansätze historisch und führe sie im Kontext meiner heutigen Arbeit als Coach wieder zusammen.
Betrachten wir den New Work Begriff, begegnet er uns erstmals 1984 in Form von Frithjof Bergmanns Beratungsagentur für Neue Arbeit. New Work besteht für Bergmann aus einem Gefüge von Erwerbsarbeit, Selbstversorgung und „Arbeit, die man wirklich will“ mit dem Ziel, dass Arbeit individualisiert und die Massenarbeitslosigkeit beseitigt wird. Insgesamt steht demnach eine Humanisierung der Arbeitswelt im Fokus (vgl. Hauser 2018). Später lernen wir durch Väth, welche Ebenen der Unternehmensgestaltung (vgl. Väth 2011) New Work im 21 Jahrhundert betreffen:
Er greift somit das Prinzip der ‚lernenden Organisation‘ auf, um New Work zu implementieren (vgl. Väth 2017). Zeitgleich entwickelten Hackl und Wagner ein New Work Framework für Wirtschaftsunternehmen, welches die Bereiche Führung, Agilität, Individualität, Flexibilität und Creative Workspaces berücksichtigt (vgl. Hackl et al. 2017).
Laut zukunftsInstitut ist New Work heute ein aktueller Megatrends, der durch die globalen Veränderungen, durch die internationale Vernetzung, Mobilität und hohe sowie beschleunigte Kommunikations- und Informationsdichte vorangetrieben wird (vgl. Zukunftsinstitut GmbH 2018).
Im Kern von New Work betrachten wir die Frage nach der sinnvollen Zusammen-Arbeit innerhalb von Organisationen und zwischen ihren Mitarbeitenden. Dies zielt auf eine bestimmte Form der strategischen Ausrichtung von Organisationen ab, welche sich den heutigen Herausforderungen innerhalb der Gesellschaft und Globalisierung versuchen zu stellen. Am Ende geht es um eine Organisationsstrategie, die die Zukunftsfähigkeit der Organisation stärkt.
Das Konzept von Agility hat seinen populärsten Ursprung im Bereich der Software-Entwicklung. In „The Mythical Man Mont“ schreibt Frederick P. Brooks 1975 folgendes:
„(…) es ist unmöglich für Kunden, selbst diejenigen, die mit Software – Ingenieuren zusammen arbeiten, ihre Anfragen an ein modernes Software – Produkt komplett, präzise und korrekt zu spezifizieren bevor sie nicht einige Versionen des Produktes ausprobiert haben, dass sie spezifizieren.“
Die Auseinandersetzung mit Software-Entwicklung stellt Menschen vor neue Herausforderungen. Software zu entwerfen und zu schreiben ist so eine Art neue Kulturtechnik, die mit den bestehenden Arbeitsformen und Strukturen weniger gut zu harmonisieren scheint. Die Spielregeln am Markt schienen sich zu verändern! Hirotaka Takeuchi und Ikujiro Nonaka aus Japan führten deshalb verschiedene Untersuchungen in Unternehmen wie Honda, Fuji und Canon durch und trugen ihre Ergebnisse 1986 in „The New New Product Development Game“ zusammen. Es wurde deutlich, dass eine Integration in der Zusammen-Arbeit verschiedener Abteilungen und Mitarbeiter*innen, zu deutlich besseren Ergebnissen und einer größeren Stabilität am Markt führte:
„This approach is essential for companies seeking to develop new products quickly and flexibly. The shift from a linear to an integrated approach encourages trial and error and challenges the status quo. It stimulates new kinds of learning and thinking within the organization at different levels and functions. (…) this strategy for product development can act as an agent of change for the larger organization.”
Es brauchte noch einige schmerzhafte Projekterfahrungen bis 2001 in Utah, 17 Senior-Entwickler basierend auf ihren empirischen Beobachtungen die sogenannten 4 Werte und zugehörigen 12 Prinzipien eines Agilen Manifestes festhielten. Hier wurden Grundsätze wie, dass Individuen und ihre Interaktionen einen höheren Wert als Prozesse und Werkzeuge genießen, als Grundstein für ein neues Mindset in der IT gelegt.
Heute beobachten wir, dass Agility und New Work als Trend für das Marketing einiger Organisationen wahrgenommen und verwendet werden. Agile Organisationen sprießen wie Pilze aus dem Boden, zumindest oberflächlich betrachtet. Aussagen wie „wir arbeiten auch schon recht agil“ höre ich fast täglich. Und auch beim Thema New Work wollen viele mitmischen, so wie z. B. Xing. Agilität und New Work lassen sich gut verkaufen. Sie stehen für Modernität, ein gutes Image, Geschwindigkeit und tolle Geschäftschancen. Es gibt daher inzwischen zahlreiche Konferenzen, Barcamps und Fortbildungsformate, die einem das Gefühl geben sollen, an der neuen agilen Arbeitswelt teilhaben zu können. Für mich persönlich ist das alles leider zu Event getrieben und geht an den ursprünglichen Gedanken beider Konzepte vorbei.
Wenn wir uns noch einmal zurückerinnern, dann ging es beiden Konzepten um die Verbesserung des Status Quo. Bei Bergmann vielleicht eher als Impuls, die Arbeit menschlicher zu gestalten, beim Konzept von Agilität eher, weil man auf die Veränderungen in der Welt eingehen und eine konstruktivere Zusammenarbeit organisieren wollte. In beiden Fällen geht es um Veränderungen, die sowohl den Menschen als auch Organisationen zu Gute kommen.
Jetzt fragen mich viele Leute, worin der Unterschied zwischen Agilität und New Work besteht, wie ich die Konzepte voneinander abgrenzen kann oder ob der eine Trend den anderen jetzt ersetzen wird. Aus meiner Sicht handelt es sich jedoch vielmehr um eine Symbiose von guten Intentionen, die Arbeitswelt zu verbessern. Beiden Konzepten wohnt eine strategische Dimension inne. Wenn du agil arbeitest oder eine New Work Firma aufbaust, dann ist das eine strategische Entscheidung, die Konsequenzen nach sich ziehen sollte, wenn du es ernst meinst. Aktuell werden beide Konzepte eher mit Scheindarstellungen durch den Kakao gezogen. Es gibt jedoch wenige Organisationen, die den Wert von Inspektion und Anpassung erkannt haben und sich bewegen. Sie lernen dazu, bauen eine Lernende Organisation auf und genieße entsprechend positive Effekte, wie ein gutes Betriebsklima, pünktliche Auslieferung der Services und zufriedene, stabile Kund*innen. Bestimmte Agile Frameworks wie z. B. Scrum und Kanban können solche Prozesse unterstützen, so wie die Beschäftigung mit New Work Themen wie z. B. Innenarchitektur, Gesundheit am Arbeitsplatz oder die Organisation von Remote-Arbeit. Sowohl Agilität als auch New Work bringen viele für Menschen spannende Impulse mit. Diese jetzt zwanghaft voneinander zu trennen, halte ich für Energieverschwendung. New Work und Agility gehen Hand in Hand und arbeiten an den gleichen Themen. Sie fördern die bewusste Ausbildung einer neuen Haltung, kontinuierlicher Verbesserung und konstruktiver Zusammen-Arbeit.
Symbiosen sind eine tolle Erfindung der Natur, um besonders schwierige Herausforderungen zu bewältigen. Auch bei New Work und Agility sehe ich viele Blockaden und Hürden, mit denen wir uns tagtäglich herumschlagen und ich nenne nur paar:
Ich habe gelernt, dass es viel zu viel Energie kostet, an einer bestimmten Idee, die ich mir in den Kopf gesetzt hatte, festzuhalten. Ich brauche heute alle meine Energien, um vorwärts zu gehen. Wenn sich die Welt unaufhörlich dreht, warum drehe ich mich nicht mit? Was sind meine Sorgen? Sowohl New Work als auch Agility haben mein Mindset geprägt und ergänzt. Wenn wir sie nicht als Gegensatz begreifen, sondern versuchen eine gemeinsame Mission zu erkennen und gleichzeitig die Grundideen ernst nehmen und nicht als Marketing ausnutzen, dann können wir eine eigene Integrität erreichen, die eine kontinuierliche Bewegung nicht als Anstrengung, sondern als Fortschritt und etwas Angenehmes wahrnimmt.
Für mich sind Agility und New Work eine Quelle der Inspiration für Strategien, mit denen es uns gemeinsam gelingen kann, die Probleme der heutigen Zeit zu bewältigen. Die Lernreise geht also weiter!