Nutzt du die Möglichkeit deine Mitarbeiter*innen durch Incentives, also Anreize zur Leistungssteigerung klassischerweise durch Gratifikationen wie Geld oder Sachleistungen, Weihnachtsfeiern oder Boni und Karriereaufstieg für gute Arbeit zu belohnen und die individuelle Mitarbeitermotivation zu erhöhen? Und stellst du Dir mit der Umstellung in deinem Unternehmen auf agiles Arbeiten die Frage, wie du zukünftig gute Arbeit belohnen kannst?
Hier ist unsere Antwort:
Belohnungen in welcher Form auch immer, gehören ganz allgemein zu unseren menschlichen Bedürfnissen.
Wir möchten für unser Handeln eine Anerkennung bekommen, möchten uns dadurch gebraucht und wirksam fühlen oder auch nur eine Rückversicherung über die Akzeptanz unseres gezeigten Verhaltens erhalten, um daraus lernen zu können, was richtig oder falsch ist.
Ob etwas als annehmbar oder nicht bewertet wird, ist dabei egal in welchem Kontext, ob im Privaten oder auf der Arbeit, damals oder heute, eine Frage der (Arbeits-) Kultur, in der wir leben.
Was verändert sich im Bezug auf die Belohnung in agil arbeitenden Teams?
Die Grundprinzipien und die Wirkung von positiver Bestärkung durch Belohnung aller Art, unterscheidet sich im agilen Umfeld in keiner Weise von anderen (Arbeits-) Kulturen.
Die Ausgestaltung von Belohnungen und die Entscheidung darüber, sollten aber der agilen Arbeitsweise und Haltung entsprechen.
Wenn Teams agil arbeiten, dann aus dem Grunde, weil sie auf die Folgen des schnellen, technischen Wandels eben ‚agil‘ reagieren können müssen und das, ohne eine genaue Vorstellung davon zu haben, was denn entwickelt werden muss, oder welche Schritte und Techniken am besten genutzt werden sollten. Hier ist die Erfahrung aus der jahrzehntelangen Praxis, dass die besten Lösungen durch selbstorganisierte Teams rund um motivierte Mitarbeiter entstehen, die regelmäßig ihre Arbeit überprüfen, anpassen und auf Veränderungen der Anforderungen reagieren, anstatt zu versuchen, einen Plan einmal festzulegen und zu befolgen. Die Arbeit in agilen Teams geschieht also auf Augenhöhe und im gemeinsamen Gespräch miteinander für die beste Lösung, in der die Führungskraft ein Teammitglied mit speziellen Aufgaben ist, aber mit ebenfalls einer ‚Stimme‘.
Belohnungen entsprechen daher ‚Selbstbelohnungen‘ des Teams, auf die man sich bei Erreichung bestimmter vereinbarter Ziele geeinigt hat, als Belohnung einzelner Arbeitsleistungen oder die des ganzen Teams. Als Steuerungsinstrument einer Hierarchieebene gegenüber Einzelnen oder dem Team als Entscheidung ‚von oben‘ widerspricht der Arbeitskultur agiler Teams.
Aber nicht nur wie entschieden wird, auch die Möglichkeit des ‚Entzugs‘ der Gratifikation als Entscheidungsmöglichkeit eines Menschen gegenüber dem anderen, kann keine Arbeitsbeziehung auf Augenhöhe erzeugen.
Da die individuelle Leistungserbringung zu gemeinsam gesetzten Zielen und Prioritäten beitragen muss und im Umkehrschluss zumeist von Prozessen im Team abhängig sein wird, kann die Leistungserbringung durch den Einzelnen selten unabhängig von den Prozessen und Ergebnissen im Team gewertet werden.
Die Frage bei der regelmäßigen gemeinsamen Rückschau (Retrospektiven/Daily) auf die Erkenntnisse der Prozesse und des Produkts der bisherigen Arbeitsintervalle (Sprints), sollte daher sein, was der Einzelne in Zukunft braucht, um den Aufgaben und seiner Selbstverpflichtung besser nachkommen zu können. Defizite in dem Fortschritt des Projekts werden zunächst also als Lernprozesse des Teams gewertet, an deren Verbesserung das Team gemeinsam mitarbeiten sollte: „Wir erschließen bessere Wege“ (Manifest für agile Softwareentwicklung). Dies bedeutet im Umkehrschluss keinen Kuschelkurs, sondern beinhaltet den ernsthaften Versuch, das Zusammenspiel des Teams selbstorganisiert zu verbessern. Bei konkreten Gründen kann es genauso nötig sein, die Leistung Einzelner kritisch zu bewerten und entsprechende Veränderungen vorzunehmen.Eine Bewertung des Teams als Ganzes hingegen und eine entsprechende Entscheidung der direkten Führungskraft oder der Ebene darüber das Team belohnen zu wollen, kann unabhängig davon beschlossen werden, aber wie immer sollte über das‚ wie‘ idealerweise das Team mitentscheiden können. Wäre noch der Punkt, auf welche Weise motiviert und belohnt wird. Bekanntlich nutzen sich regelmäßige geldwerte Bonuszahlungen in ihrer motivierenden Wirkung schnell ab und werden als normal hingenommen. Daher empfiehlt es sich hier, Belohnungen für zu bestärkendes Verhalten gezielt einzusetzen – entweder nach erbrachtem gutem Ergebnis oder zum Start eines Projektes als Vorschusslorbeeren, um ein entsprechendes ‚Framing‘ der Mitarbeitenden auf die Annahme der erfolgreichen Mitarbeit und Durchführung des Projekts zu setzen. Wie eingangs geschrieben geht es Menschen in erster Linie nicht um materielle Formen der Belohnung, auch wenn diese in Form von Karriereaufstieg häufig neben der Bestätigung auch eine Notwendigkeit darstellen. Materielle Belohnungen durch kleinere Boni und Gutscheine, können zudem entsprechend des verfügbaren Budgets natürlich ebenfalls als eine mögliche Form der Team-oder Individualbelohnung genutzt werden. Nachhaltiger als Geld sind aber z. B. Erlebnisse, die uns ermöglicht werden, wie individuelle oder Teamerlebnisse, die wir uns selbst vielleicht im ersten Moment nicht gönnen würden, aber dem Team ein einmaliges verbindendes Erleben bringen könnten. Die Nachhaltigkeit der motivierenden Wirkung wäre hier jedoch sehr viel größer.
Daraus ergibt sich, …
A) dass Belohnungen im agilen Kontext als Team und ausgerichtet am Teamziel bewertet und vergeben werden sollten, um Anreize für eine gute selbstorganisierte Zusammenarbeit im Team zu setzen.
B) Belohnungen stellen im Sinne des agilen selbstorganisierten Arbeitens im Prinzip eine Selbstbelohnung dar. Die Belohnung von individuellen Mitarbeiter*innen, aber auch des Teams sowie die Festlegung von Kriterien dafür, sollten in einem gesetzten Rahmen von den Teammitgliedern gemeinsam durch Aushandeln entschieden werden, um so mittels Transparenz zu größtmöglicher zumindest subjektiver Gerechtigkeit im Team zu gelangen. Agile Teams decken die Position der Projektleiter*in mit den drei neuen Rollen mit Verantwortung für Produkt, Prozess und Umsetzung ab.
C) Belohnungen agiler Teams in einer klassischen Umgebung, sollten idealerweise inhaltlich vom Team mitentschieden werden.
D) Individuelle Jahresziele laufen der agilen Arbeitsweise hingegen zuwider, da sich Individualziele untereinander bzw. mit dem Teamziel entgegenstehen können und so zu Hindernissen werden. Zielvereinbarungen werden daher auf der Teamebene getroffen (z. B. mit Objectives and Keyresults).
E) Belohnungen zur Leistungssteigerung, so zeigen es die Erkenntnisse der Methode des positiven Bestärkens (aus der Arbeit mit Tieren und Menschen), greifen als Anreiz nicht, wenn das gesetzte Ziel und die in Aussicht gestellte Belohnung zeitlich, räumlich oder aufgrund von zu vielen oder unklaren Anforderungen, zu weit weg liegen oder zu groß sind. Hier hilft es eine kürzere zeitliche, räumlich oder inhaltliche Sequenz zu wählen oder Ziele in konkrete Zwischenschritte zu zerlegen.
F) Zudem sollten sich Belohnungen an den gesetzten Zielen für kurze Feedbackintervalle (Sprints) orientieren. Jahresziele als Bewertungsgrundlage widersprechen den sich schnell ändernden Anforderungen und Zielen andernfalls möglicherweise.
G) Belohnungen sind geeignet, um ein bestimmtes gewünschtes Verhalten durch positive Bestärkung neu oder mehr hervorzurufen, d. h. in der Phase des Erlernens neuer Verhaltensmuster. Wird bei bereits routiniertem Verhalten eine Belohnung eingesetzt, gilt dies als Selbstverständlichkeit ohne eine verhaltensverändernde oder -bestärkende Auswirkung zu haben. In diesem Falle können Belohnungen durchaus als erwartbare Belohnung eingesetzt werden, aber eben jeweils auf ein bestimmtes Lernziel bezogen.
H) Belohnungen sollten dann unerwartet eingesetzt werden, wenn sie wie eine Art Jackpot zu einer überraschenden und übermäßigen Belohnung, vielleicht sogar als Vorschusslorbeeren genutzt werden sollen, um z. B. starke Demotivation und verfahrene Situationen aufzulösen und einen ‚Neustart‘ zu ermöglichen oder einen positiven Start z. B. für ein neues Projekt oder Teammitglied zu generieren, um den Glauben an den kommenden Erfolg zum Ausdruck zu bringen. Diese Wirkung tritt nur durch die Überraschung und die Größe der Belohnung ein.
I) Belohnungen sind Anerkennung und Rückversicherungen, sie stiften Motivation und Orientierung. Immaterielle Anreize wie Zeit, Vertrauen und Übertragung von Verantwortung sind die nachhaltigste Strategie. Andernfalls sind z. B. Erlebnisse nachhaltiger als Geld in Form von Gutscheinen.
Die stärkste und immaterielle Belohnung für Mitarbeitende ist ein motivierender Arbeitsplatz mit einem guten Team und einer Arbeit, in der man mit seinen Fähigkeiten einen Beitrag leisten kann, der einen Unterschied macht. Hierein zu investieren, kann sich langfristig auszahlen und bedeutet z. B. in Fortbildungen oder Befähigungen aller Art zu investieren, in Teambuilding oder die Zeit für die Verbesserung der Arbeitskultur und -prozesse zu gewähren, Mitarbeiter*innen Gehör zu schenken, ihnen zu Vertrauen und Verantwortung zu geben. Auf all diese Ziele zahlen die agilen Arbeitsweisen mit ihren Werten und Prinzipien ein – wenn man Zeit dafür einräumt.
Das ist die präferierte Art der Mitarbeitermotivation im agilen Kontext für gute Arbeitsergebnisse im Unternehmen. Auf die Weise wird ihr Team sich beständig verbessern und das ‚Schwarmwissen‘ Ihres Teams Eingang in die Produktentwicklung finden. Schnelligkeit, Nachhaltigkeit und Qualität entstehen daraus, wenn man die Zeit zur Kommunikation über notwendige Anpassungen der Prozesse und der Anforderungen an das Produkt und zur Auflösung von Hindernissen jeglicher (!) Art gibt. Du wirst sehen, es ist anstrengend, aber keiner will hinterher wieder anders arbeiten!