Durch die Covid-19 Situation sind viele Menschen aktuell im Homeoffice, so dass die physische Zusammenarbeit von Angesicht zu Angesicht minimiert wurde. Jede*r von uns weiß, dass die Arbeit im Team schnell kontrovers werden kann. Remotearbeit macht es uns Menschen dann nicht gerade einfach: Missverständnisse passieren von selbst, Informationen gehen schneller unter und jede*r arbeitet auch ein kleinwenig mehr für sich, als üblich, weswegen wir uns heute mit dem Thema Empathie auseinandersetzen wollen. Ziel ist, dass ihr wieder etwas mehr darüber lernt, wie ihr verbindende Kommunikation herstellen könnt.
Oh Schreck, die Überschrift verrät ja schon die Pointe, aber vielleicht ist sie euch auch noch nicht so bewusst, wenn ihr diesen Satz gelesen habt, denn für mich war Empathie die meiste Zeit meines Lebens meine Art der Zugewandtheit, anderen meine Aufmerksamkeit zu schenken sowie Informationen zu teilen und vor allem anderen zu helfen, denen es nicht gut ging. Empatheia heißt übersetzt Einfühlung, woraus ich folgerte, dass es meine Aufgabe sei, mich in andere hineinzuversetzen, um dann in ihrem Sinne kluge und wertvolle Ideen oder tröstende Worte oder Perspektiven zu kommunizieren. Dabei half mir oft meine Menschenkenntnis, denn durch diese wusste ich schnell, das ist Typ X, da könnte man dieses oder jenes versuchen. Oder es ist Typ Y, da habe ich mir jene Meinung gebildet und müsste etwas anderes nützlich sein. Und so ging ich durch die Welt und hielt mich für einen der empathischsten Menschen der Welt, zumal ja auch das Feedback gar nicht schlecht ausfiel. Allerdings passierte dann doch nicht immer alles so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Nicht alle meine Gespräche hatten einen ähnlich konstruktiven Ausgang. Lag das an mir? Bestimmt nicht, ich war doch empathisch, oder nicht?
Ihr Leser*innen ahnt bereits, dass ich einem Trugschluss unterlegen war oder anders gesagt, eine wichtige Komponente von Empathie, diejenige, die nicht explizit und klar vor meinen Augen war, übersehen hatte. Wenn wir uns in Menschen einfühlen, dann müssen wir uns selbst loslassen. Warum ist es denn so schwierig empathisch zu sein oder wann fällt es uns besonders schwer oder ganz leicht? Das hängt eben viel von uns selbst und unserer Verfassung ab! Sind wir gerade aufgebracht oder unkonzentriert, dann wird ein empathisches Zuhören zu einer Unmöglichkeit. Haben wir gerade viel Zeit sowie Ruhe und sind bei bester Gesundheit, gelingt es uns ganz gut! Die Ursache hierfür ist, dass uns eigene starke Gefühle natürlich binden. Das ist auch gut so, denn sie haben eine Daseinsberechtigung und einen Sinn: Irgendetwas ist passiert und jetzt müssen wir uns darum, bzw. um uns selbst kümmern!
Jeder Mensch hat Bedürfnisse, die durch unsere Gefühle spürbar werden. Sie helfen uns dabei, auf uns acht zu geben und viel zu oft vernachlässigen wir uns selbst, weil wir für andere da sein wollen. Die Ironie daran ist, dass wir selbst nur gut für andere da sein können, wenn wir vorher bei uns waren, uns um uns selbst gesorgt haben. Dafür tragen wir die alleinige Verantwortung und es ist sehr gesund, dieser Rechnung tragen zu wollen. Ist dies gelungen, können wir nicht nur leichter abschalten, sondern auch leichter loslassen, die Grundlage für echte Empathie! Ignorieren wir die eigenen Bedürfnisse und Gefühle, sind wir eher schlecht als Recht für andere da. Unser Gegenüber merkt schnell die innere Abwesenheit oder die Probleme, die wir mit in den Raum gebracht haben. Und ungeschickter Weise fühlt sich manch einer auch dann dafür schuldig oder mitverantwortlich. Dann haben wir die Ausgangssituation sogar kontraproduktiv verändert.
Wenn wir uns in Rosenbergs Texte einlesen, dann stellen wir oft fest, dass unsere Gesellschaft leider viele lebensverneinende und trennende Verhaltensweisen einübt. Wir stellen zu hohe Erwartungen an uns, bestrafen unsere Fehler, thematisieren immer wieder die eigene oder Schuld von anderen und achten sehr wenig auf unsere Gefühle oder richten unsere Aufmerksamkeit selten auf unsere Bedürfnisse. In sofern sind die Voraussetzungen für ein empathisches Zuhören äußerst ungünstig. Ich vertrete daher die Ansicht, dass es uns hilft, wenn wir zunächst unsere Haltung und unsere Verhaltensweisen hinterfragen möchten.
Rosenberg hat einige Verhaltensweisen identifiziert und klassifiziert, die er als hinderlich für eine empathische Kommunikation wahrgenommen hat. Ihr werdet sehen, dass diese bei uns selbst dort anknüpfen, wenn es uns beim Zuhören nicht gelungen ist, die eigenen Ideen und Gefühle loszulassen. Prüft für euch diese Liste und schaut, welche Verhaltensform euch vertraut vorkommt. Wendet ihr sie selbst an?
Nachdem ich meinen persönlichen Schock verarbeitet hatte, war ich sehr dankbar über diese Liste und war umso bemühter Rosenbergs Grundlagenliteratur durchzulesen. Mir ist jetzt bewusst, dass meine Talente woanders liegen als in Empathie und das half mir auch zu verstehen, warum bestimmte Situationen in der Vergangenheit anders gelaufen waren, als ich es vorher vermutet hatte.
Gerade mit Bezug auf die Arbeit im Homeoffice bin ich froh darüber, dass mir diese Dinge nun bewusst sind, weswegen ich sie mit euch teilen wollte. Setzt euch damit nicht unter Druck und beobachtet vielleicht erstmal, wie ihr euch selbst wahrnehmt in Gesprächen. Bewertet vielleicht euren persönlichen Grad der Empathie neu und setzt euch eigene Ziele, was ihr vielleicht in Zukunft anders kommunizieren möchtet oder wie ihr auf jemanden reagiert, der nach Unterstützung fragt. All unsere Verhaltensweisen wurden jahrelang eintrainiert. Niemand verlangt, dass wir diese kurzfristig ändern können. Für mich ist es reizvoll, jetzt an meiner Empathiefähigkeit zu arbeiten, vielleicht konnte ich auch dich inspirieren?
Ich wiederhole diese Überrschrift zum Ende, da sie so wichtige Dinge beinhaltet. Zum einen die Bereitschaft, also einen gesunden Zustand des Wollens aus ehrlichem Interesse. Außerdem ein Gefühl von Freiheit, weil wir zuvor für uns selbst da waren und jetzt Kapazitäten vorhanden sind, loszulassen und zuzuhören!
Zum anderen die Fähigkeit sich einzufühlen, was gleichzeitig bedeutet, die eignen Annahmen und Einstellungen aufs Regal legen zu können. Wenn wir für jemand anderen da sind, dann können wir, mit Blick auf die Hindernisse von oben, mit echter Zugewandtheit versuchen, unabhängig der eigenen Meinung, zu verstehen, was wirklich, wirklich in unserem Gegenüber vor sich geht. Fragt, wie es eurem Gesprächspartner geht, ob er oder sie seine Gefühle mit euch teilen möchte oder ob ihr einfach nur zuhören sollt. Paraphrasiert Inhalte, die euch noch nicht klar sind und bittet um Auskunft, ob ihr das richtig wiedergegeben habt. Schaut euch die Welt des anderen ohne Vorbehalte an und seht es als einen kleinen Ausflug oder Besuch an. Als Gast bei einem Freund ist es von Vorteil, keine neuen Möbel mitzubringen oder die vorhandene Einrichtung umstellen zu wollen. Die Gastgeber*in freut sich einfach darüber, dass ihr voll und ganz da seid!