New Work besitzt viele Facetten und ist weder einfach zu verstehen, noch zu erläutern. Seit meiner Publikation Anfang 2019 hat sich der Begriff sowohl in meinem Kopf, als auch in der Community in viele neue Richtungen bewegt.
Mit diesen Artikel versuche ich zu konsolidieren: Was ist laut Frithjof Bergmann der ursprüngliche Gedanke von New Work, welche meiner Annahmen habe ich beibehalten und welche Perspektive verwerfen und ändern müssen.
Als Sammelbeitrag bringe ich in diesem Artikel verschiedene Aspekte der Neuen Arbeit zusammen und verlinke andere Beiträge, die bestimmte Elemente des New Work Begriffes vertiefen.
Arbeit ist etwas, das uns Menschen seit eh und je ausgezeichnet hat. Sie ist für uns wesentlich, wir verbringen viel Zeit damit, zu arbeiten und wir definieren uns zum größten Teil mit dem, was wir gearbeitet haben oder womit wir aktuell beschäftigt sind. Sie ist auch etwas, was wir mit dem Erwachsenenleben assoziieren. Die Arbeits-Zeit teilt unser Leben: Erst sind wir Kind, dann arbeiten wir und dann sind wir alt und werden spannender Weise von dem Jobsystem freigestellt und dürfen in Rente oder Pension gehen, was im Grunde vielleicht gar nicht immer die beste Idee ist.
Auch New Work oder Neue Arbeit soll ein dem Menschen dienendes Konzept sein und insofern ist vielleicht das erste, was wir von ihr lernen können, dass sie nicht für die Digitalisierung, nicht für die Automatisierung und nicht für Maschinen oder Computer geschaffen wurde. Neue Arbeit ist für uns Menschen erdacht, weil wir durch das Lohnarbeitssystem aus den Augen verloren haben, warum wir eigentlich arbeiten: Wir wollen lebendig sein, uns weiterentwickeln, stärker werden, etwas für uns Nützliches tun und uns selbst versorgen können. Daher ist es nicht verwunderlich, dass wir im Bereich der New Work immer wieder feststellen, dass wir uns mehr auf uns Menschen konzentrieren. Warum sich dies für Organisationen lohnt, könnt ihr hier nachlesen.
Wir kennen von der Arbeit jedoch immer zwei Seiten. Oft können wir uns eben nicht mit unserer Tätigkeit identifizieren, arbeiten bis zur Erschöpfung oder aus reiner Notwendigkeit. Es ist auch Arbeit, Kinder großzuziehen, ewig für einen Haushalt tätig zu sein oder die eigenen Eltern zu pflegen. Und dabei fühlen wir uns vielleicht alles andere als lebendig, spüren keine Entwicklung und fühlen uns eher krank und müde. Es sind auch schon Menschen aufgrund ihrer Arbeit gestorben und es existieren natürlich bis heute Gesellschaften, in denen auch Kinder arbeiten müssen oder alte Menschen darauf angewiesen sind zu arbeiten, da sie sich sonst nicht versorgen können. In unseren privilegierten Kreisen haben wir es oft mit weniger dramatischen Verhältnissen zu tun. Vor allem wir Akademiker*innen sind mit etwas infiziert, was Frithjof Bergmann als milde Krankheit und Armut der Begierde bezeichnet, worüber ihr hier mehr Informationen findet.
Doch wer sind wir eigentlich oder wer wollen wir sein?Was ist das Zukunftsbild, was wir von unserer selbst konstruieren wollen? Diese Gedanken sind etwas Neues von mir und stellen eine Ergänzung dar, denn ich bin inzwischen der Ansicht, wir können das Thema Arbeit für uns nur durchdringen oder unseren Beitrag für eine bessere Gesellschaft nur dann umsetzen, wenn wir eine klare und eigene Identität haben. Die Armut der Begierde sehe ich als ein Symptom davon, dass wir unsere eigenen Bedürfnisse nicht verstehen oder vielleicht durch das Beschäftigungssystem, in dem wir permanent uns anpassen müssen, nie die Zeit hatten, um uns selbst zu begreifen. New Work stellt die Frage danach, was wir wirklich und wahrhaftig wollen, mit Bezug auf unsere Tätigkeit, aber auch unser Leben und natürlich die Gesellschaft in der wir es gestalten wollen. Wenn wir nicht wissen, wer wir sind oder wer wir sein wollen, können wir auch keine Verantwortung für Veränderungen übernehmen (ein Haltungsproblem, was ich in diesem Blogbeitrag behandle). Im Grunde leben wir an uns selbst vorbei und stehen uns im Weg. Daher ist New Work auch die Arbeit an dir selbst und eine Suche nach deiner Identität und in sofern einem ganz neuen Bewusstsein davon, wie und was du persönlich gestalten möchtest. Wer hierzu weitere Impulse möchte, findet sie in diesem Artikel von Lena.
Schlussendlich führt auch Bergmann aus, dass sämtliche seiner Gedanken in einem Zentrum für Neue Arbeit mündeten. Ein Ort, an dem New Work tatsächlich durchdacht, stattfinden und im Grunde auch studiert werden konnte. Ein Ort der Begegnung, ein Forum für Vernetzung und ein Raum für Beratung. Das erste Zentrum für Neue Arbeit entstand in Flint, der Stadt, in der die meisten Menschen bei General Motors angestellt waren und denen durch die Automatisierung und die Wirtschaftskrise in den 80ern eine Massenarbeitslosigkeit drohte. Auch wir haben ein Zentrum für Neue Arbeit gegründet, da wir unzufrieden mit den bestehenden Arbeitssystemen sind, in denen wir auch 2020 noch festgefahren sind. Für uns ist das Zentrum wie damals Hoffnungsschimmer und praktische Anwendung zugleich. Um etwas zu verändern, nehmen wir uns Zeit, um Frithjof Bergmanns Ansätze zu verstehen. Durch das Zentrum sind wir in Kontakt mit seinem Pressesprecher Andy Mayer, Associates der Neuen Arbeit wie Sebastian Becker und beobachten sowie durchdenken das Thema Arbeit und New Work kontinuierlich, um konzeptionelle Ideen zu entwickeln, die bei jeder/jedem einzelnen, aber auch in der Gesellschaft wirken könnten. Hierbei stellen wir uns nicht über andere. Weder haben wir eine endgültige neue Definition von New Work, noch wollen wir einfach einen neuen Trend umsetzen. Uns liegt es am Herzen, New Work zu verstehen, Menschen aufzuklären und das Thema Arbeit und Arbeitssysteme positiv für die Gesellschaft neu zu prägen.
Verschiedene Experimente sind in Planung. Wir organisieren bereits jetzt alle zwei Wochen über unsere neue Meetup Gruppe „Zentrum für Neue Arbeit“ Events zum Thema New Work, um direkt mit euch in Kontakt zu treten und einen Austausch zu ermöglichen. Außerdem wollen wir mit Humor und Skepsis bestehende Glaubenssätze zum Thema (New) Work hinterfragen und für alternative Sichtweisen sensibilisieren. Wir haben in diesem Blogbeitrag zusammengefasst, wie unser Zentrum tätig sein möchte und was wir planen.
Eine eigene Kurskorrektur haben wir selbst nach kürzester Zeit vollzogen, als wir darüber nachdachten, womit wir selbst aktuell unser Geld verdienen. Wir brennen nach wie vor dafür, Organisationen in ihren Veränderungsvorhaben zu begleiten, doch dies soll nicht die Aufgabe des Zentrums für Neue Arbeit sein.
Wir wollen uns tatsächlich auf Menschen konzentrieren und mit unseren Besucher*innen darüber nachdenken, was sie wollen und welche Arbeitssysteme für sie denkbar wären. Dafür stehen verschiedene Räume zur Verfügung und der Gedanke im Raum, im Jahr 2021 ein New Work Festival für das Zentrum für Neue Arbeit stattfinden zu lassen. Details zu den Räumen und unseren neuen Ansätzen findet ihr hier.
Es lässt sich nicht leugnen, dass New Work heute sowohl als Buzzword verwendet wird, als auch zum Megatrend lanciert wurde. In Kombination entsteht für uns alle die maximale Unklarheit, denn wenige definieren trennscharf, was er oder sie unter New Work verstehen, sondern plakatieren sie einfach unter verschiedenen Flaggen. So gibt es dann New Work nach X, New Work nach Y und New Work nach Z, je nach Unternehmen oder Beratungshaus. Ich darf hier nicht selbst unerwähnt lassen, dass ich seit über 10 Jahren von der agilen Community geprägt wurde und beruflich seit Jahren als Agile Coach unterwegs bin, wodurch ich natürlich anfangs auch geneigt war, das New Work Konzept in meine agilen Modelle zu assimilieren. In unserer Ausbildung zum Agile Coach versuchen wir das damit aufzulösen, dass wir denken, dass New Work und Agile sich gegenseitig unterstützen und fördern können und gemeinsam ein soziotechnisches System bilden können (siehe Grafik).
Gleichzeitig werden verschiedene Dinge mit New Work in Verbindung gebracht, die mit dem Konzept ursprünglich gar nichts zu tun hatten:
Laut Selbstbestimmungstheorie zahlen drei Grundbedürfnisse von Menschen auf ihre intrinsische Motivation ein oder können diese auslösen:
Die traurigste Erkenntnis mit Bezug auf Arbeit und Beruf ist die, dass wenn wir uns oder andere Fragen, warum sie diesen oder jenen Beruf ergriffen haben, wir oft feststellen müssen, dass weder eine gründliche Überlegung der Auslöser war, noch eine reale Lust mit der Ausübung dieser Arbeit verbunden wird. Oft ist es eher eine freundliche Lehrerin, der Wunsch der Eltern oder gesellschaftliche Zwänge, die uns in einen Job „treiben“. Unsere Wahl kommt also nicht aus uns, sondern ist extrinsisch motiviert. Wir tun das, was andere von uns erwarten und nicht das, was wir wirklich, wirklich wollen.
New Work unterstützt uns dabei, uns hierfür zu sensibilisieren. Wenn wir unsere eigene Identität erforschen, uns kennen lernen, unseren Bedürfnissen zuhören und ein Bild entwerfen, wie und in welchem System wir leben und arbeiten wollen, werden wir mit einer ganz anderen Lebenskraft zur Arbeit schreiten und intrinsisch sowie nachhaltiger an unseren Themen tätig werden. Ich hinterlege hier einen Artikel, der das Thema Selbstbestimmungstheorie und Motivation vertieft.
New Work ist für mich heute jedoch die Frage nach dem WAS und dem System als Ganzes. Was können wir anders denken und anders machen als bisher? Was schafft eine wirkliche Veränderung auf dieser Welt? Und was kann dazu beitragen, dass wir als Menschheit fortbestehen können? Im Kleinen ist es die Frage, was ich tun kann, um mich und andere zu stärken, was mir Energie gibt und was mir eine unerwartete Freude bereitet.
Ich weiß, dass viele von euch auf der Suche nach Antworten sind, im Bereich Arbeitskultur und modernes Arbeiten und deshalb nach Antworten im New Work Umfeld suchen. Ich denke hier an Blogartikel zum Thema Onboarding oder Vertrauen, die ich verfasst habe, aber auch ausführlichere Beiträge, die sich wirklich damit auseinander gesetzt haben, wie so eine New Work Arbeitskultur aussehen könnte. Hier gebe ich zu, dass die Grenzen meiner Texte zu agilen Vorgehensweisen sehr fließend sind (quasi ein Problem meiner Historie und meines subjektiven Framings) und gleichzeitig könnte in diesem Checkpunkte Artikel der ein oder die andere fündig werden, was praktische Handlungsempfehlungen in Sachen Zusammen-Arbeit betrifft.
Tja und dann fanden wir uns tatsächlich alle in einer Pandemie wieder und stellten uns die Frage: Ist das jetzt New Work? Covid-19 als das neue Transformationsprogramm, so witzelten einige. Es fühlt sich eben vieles sehr neu an und brachte für die meisten eine wirkliche und reale Veränderung ihres Arbeitslebens. Wir werden an der Situation sicherlich weiter lernen und wachsen, haben viele Experimente in Angriff genommen und sicherlich ein neues Verständnis von der Arbeitswelt in diesen aufregenden Zeiten entwickelt. Ich habe hierzu zwei Artikel spannender Weise vor Covid-19 geschrieben. Einen, der sehr ablehnend der Remote Work gegenübersteht und quasi für die großen Vorteile von direkter Zusammenarbeit sensibilisiert und einen, der den Erfahrungsschatz der Community zusammengetragen hat, wie man als verteiltes Team remote durch verschiedene Tricks gut zusammenarbeiten kann.
Und hierzu möchte ich noch mit meiner Kumpanin Leonie Müller einen vertiefenden Blog Artikel schreiben, denn die Community ist vielseitig und groß, also voller spannender Ressourcen. Hilfreiche Impulse finden sich bereits in der New Work Charta, wobei wir sehr genau beobachten, wie und ob diese einen Systemwechsel vollbringen können und eine Charta im Netz einen Wandel anstoßen kann? Wir würden uns hier sehr über einen Gastbeitrag von z. B. Markus Väth freuen.
Dann gibt es seit Neustem, um das einfach mal zeitgleich mit ihrer Veröffentlichung aufzugreifen das Shift Collective. Diese wollen ebenfalls einen Systemwechsel unterstützten, verwenden jedoch den New Work Begriff nicht – sind aber teilweise in der Community aktiv. Auch hier die Einladung, uns gerne Gastbeiträge zuzusenden, die etwas Licht ins Dunkle bringen.
Wir selbst bemühen uns derweil weiterhin um inklusive Ansätze, vernetzen uns mit euch auf Anfrage und hoffen auf weitere Partnerschaften und einen spannenden Austausch bei unseren Meetups. New Work kann aus meiner Sicht nur funktionieren, wenn wir gemeinsam das System verändern und uns dazu verbünden.
Deswegen poste ich diesen Blogbeitrag als Teil der Blogparade zum Thema #newworkpolicies – als Einladung zu Gesprächen im Zentrum für Neue Arbeit, als Wunsch mit euch da draußen noch enger zusammen zu arbeiten und als Hoffnung, dass wir wirklich aktiven Einfluss auf das politische System nehmen können. Ich selbst bin SPD Mitglied, was ich in der Regel nicht nach außen kehre, aber unsere Parteien brauchen eine Erneuerung! Ich habe großes Vertrauen in das politische System, jedoch blicke ich mit großer Sorge auf die Unzufriedenheit der Bürger*innen mit denen ich spreche. Wir brauchen neue Dialoge, einen anderen Stil in der Bundespressekonferenz, siehe Jung&Naiv und eine andere Berichterstattung in den Medien, siehe Fernsehpodcast – auch zum Thema Arbeit!
Ein weiterer Lockdown ist beschlossen und wir wissen nicht, was die Zukunft bringt oder wann ein effektiver Impfstoff bereit steht. Gerade deshalb wäre es aus meiner Sicht wichtig, zu benennen, was wir in dieser kommenden Zeit, kurzfristig im November, gemeinsam lernen wollen? Hier fehlt die Perspektive, der große gesellschaftliche Auftrag. Die Politik benennt es verkürzt gesagt mit „Weihnachten und Leben retten“. Aber diese Pandemie macht wesentlich mehr mit uns als Gesellschaft und genau diese Dinge sollten wir klarer besprechen, sonst droht uns ein Fortschreiten der Spaltung, sonst konzentrieren wir uns nur auf das Streiten, was ich in diesen kräftezehrenden Zeiten nicht als die richtige Methode empfinde! Wir hätten die Chance, jetzt große und breite digitale Netzwerke zu bilden, um uns als Gesellschaft in der Krise zu verstehen und vielleicht neu auszurichten. Genau diese Arbeit würde sogar der New Work entsprechen und ist der Impuls, den ich in den Raum stellen möchte.
Andy Mayer hatte bei unserem Treffen im August erwähnt, dass er und „Frithi“ ganz amüsiert auf die aktuelle Krise blicken, mit der großen Hoffnung, dass die Menschheit endlich versteht, dass ein Weiterso nicht langfristig funktionieren kann.
Frithjof Bergmann motivierten stets die drei „Ungeheuer“ der Menschheit, mit denen wir umgehen müssten:
Alle drei Phänomene zahlen auf die wachsende Armut von Menschen ein, die das Konzept von New Work jedoch lindern möchte. Ich habe eine Übersicht erstellt, welche Punkte sich hier gegenüberstehen:
Mit Schlachtspaltung meint Frithjof Bergmann die immer mehr und extreme Spaltung der Menschheit in Reich und Arm, denn Armut führt zu Ausgrenzung, mangelnder Bildung und schließlich zur Unfähigkeit ein menschenwürdiges Leben zu führen. Die Neue Arbeit beinhaltet daher laut Frithjof Bergmann drei Bausteine, durch deren Zusammensetzung ein neues Arbeitssystem denkbar wird.